Next-Door
Neighbours

History and Stories of Jews
in Leipzig-Schleußig

Als wir im Spätsommer 2014 begannen, für eine Ausstellung zur Jüdischen Geschichte von Leipzig-Schleußig zu forschen, waren wir zunächst skeptisch. Anders als das Waldstraßenviertel oder die innere Nordvorstadt ist das erst 1891 nach Leipzig eingemeindete Schleußig nicht als Wohnort jüdischer Familien bekannt. Es gab hier weder eine Synagoge noch Betstuben, es gab keine koscheren Geschäfte, keine jüdischen Firmen mit einer für die Bevölkerung sichtbaren Präsenz oder berühmte Persönlichkeiten, die für ihr offenes Haus bekannt gewesen wären. Würde das aufzuspürende Material genügen? Wovon sollten wir erzählen, wenn wir nicht fündig würden?

Wenige Wochen nach Beginn unserer Arbeit hatten wir etwa 40 Namen von Frauen und Männern jüdischer Herkunft, die hier Tür an Tür mit den anderen Bewohnern des Quartiers gelebt haben. Einige dieser Menschen haben nur kurze Zeit in Schleußig gewohnt, andere Familien länger und mit verschiedenen Adressen im Viertel, wieder andere haben hier gearbeitet.

Unsere weiteren Recherchen zu Einzelpersonen liefen in vielen Fällen ins Leere, in anderen stießen wir auf Fundstücke und Geschichten, die uns tiefe Einblicke in das Leben der Menschen gewährten. Die in den folgenden Wochen unverhofft möglich gewordenen Begegnungen mit Zeitzeugen und Nachfahren haben uns sehr beeindruckt, und wir sind dankbar für die Offenheit und das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde. Vor allem dank der Unterstützung dieser einst hier lebenden Familien konnte das Wagnis, ein Bild vom deutsch-jüdischen Alltag in Schleußig zu skizzieren, eingegangen werden. Bis 1933 ist es ein Alltag der gelebten Integration, auf den in der Rückschau immer zugleich die Schatten der nachfolgenden Geschehnisse fallen. Die Ereignisse von Emigration, Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Nachbarn in der Zeit des Nationalsozialismus haben schließlich Eingang in jede Einzelbiographie gefunden.

Neun Monate nach Beginn des Projekts haben wir die Recherchen beendet und das Material für die Ausstellung geordnet und aufgearbeitet. Den Prozess begleitend entstand diese Webpräsenz mit Einträgen zu den Wohnorten von Menschen jüdischer Herkunft in Schleußig – es sind mehr als 120. Die Karte und sämtliche Adressangaben sind von 1932. Zu einzelnen Personen sind biographische Angaben wie Geburts- und Todesdaten, Berufe und Tätigkeiten sowie Verwandtschaftsverhältnisse abrufbar. Teilweise haben wir Links zu online verfügbaren Originaldokumenten eingefügt, alle anderen von uns genutzten Quellen sind im Impressum nachzulesen.

Ausstellung und Webpräsenz dokumentieren den Forschungsstand unseres Projekts, welches sich grundsätzlich als Auftakt zu einer weiterführenden und vertiefenden Arbeit am Thema versteht. Möge eine solche in der Zukunft Realität werden.

Das Projekt „Next-Door Neighbours“ ist den Menschen gewidmet, von denen es erzählen möchte.

Leipzig, im Juni 2015 Jane Wegewitz, Franziska Frenzel und Tom Pürschel

When we started researching for the exhibition on Jewish history in Leipzig in the late summer of 2014, we were initially skeptical. In comparison to the Waldstraßenviertel or the inner Nordvorstadt, Schleußig, which first became a part of Leipzig in 1891, is not known for being a place where Jewish families lived. There was neither a synagogue, nor a prayer room; there were no kosher stores, no Jewish firms which would have been visible to the residents or famous personalities who were known for keeping open house. Would the material we found be enough? What stories should we tell if we did not find anything?

A few weeks after beginning our work, we had around 40 names of women and men of Jewish descent who lived next door to the other residents in the quarter. A few of these people lived in Schleußig for only a short time; other families were here longer and could be found at different addresses around the quarter; others came here to work.

Further research on the individual residents led us nowhere in many cases. In other cases we stumbled upon finds and stories that allowed us a deeper glimpse into the lives of these people. In the following weeks, we met with witnesses and relatives, something we had not expected, and which left a lasting impression on us. We are very grateful for their openness and trust they showed us. Above all, thanks to the support of the families that once lived here, we could risk to sketch a picture of the German-Jewish daily life in Schleußig. Until 1933, every day life was characterized by real integration, which, however, in retrospect is always overshadowed by the events to come. The specter of emigration, persecution, expulsion, and murder of the Jewish neighbors during the time of National Socialism found its way into every individual biography.

Nine months after beginning the project we have finished the research, and the material for the exhibition is organized and prepared. Along with this process, we created this website with information on and entries for more than 120 people of Jewish descent who lived in Schleußig. The map and all the addresses are from 1932. For the individual, there are biographical details like birth and death dates, profession and occupation as well as kinship which can be accessed. We partially included links to original documents available online, all the other sources used in this exhibition can be found in the site imprint.

The exhibition and the website document the state of research of our project and are basically intended as a springboard for further and more detailed work on this topic. May such work become reality in the future.

The project Next Door Neighbours is dedicated to the people whose stories are told here.

Leipzig, June 2015 Jane Wegewitz, Franziska Frenzel and Tom Pürschel

Dank

Die Arbeit am Thema wurde von Prof. Dr. Martin Maslaton initiiert und finanziert. Sein dankenswertes Engagement hat das Projekt ermöglicht.

Dass die Ausstellung nebst begleitender Webpräsenz möglich wurde, danken wir dem Zuspruch, der Mithilfe und den uns zur Verfügung gestellten Materialien von Ellen Bertram, Annelies Tienelt, Dr. jur. Hubert Lang, Volker Eckert, Achim Beier, Rolf-Hermann Thomas, Ulrich Steube, Beate Cerf, Dr. Steven Cerf, Dr. Andrea Lorz und Familie Spencer.

Unterstützt und beraten haben uns Mitarbeiter im Stadtgeschichtlichen Museum, besonders Marko Kuhn und Christoph Kaufmann, Karsten Sichel und Kolleginnen im Sächsischen Wirtschaftsarchiv, Mitarbeiterinnen der Ephraim Carlebach Stiftung und der Israelitischen Religionsgemeinde sowie vom Sächsischen Staatsarchiv und dem Stadtarchiv.

Für organisatorische Unterstützung und Hilfe bei der Produktion der Ausstellung danken wir außerdem Sandra Nowag, Sandra Stöckel und Jörn Dornbusch.

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